Lesen ohne Grenzen
Eine der großen Attraktionen des jährlichen Mittenwalder Straßenfestes bildet mittlerweile das Lesezelt. Verschiedene Autoren aus dem Kiez und darumherum tragen dort aus ihren Büchern vor, das Publikum kauert auf würfelförmigen Sitzgelegenheiten mit der Aufschrift "Es haut dich vom Hocker" und alle haben miteinander sehr viel Spaß. Allein in diesem Jahr lasen Nadire Biskin, Carsten Zehn, Maik Gerecke, Kathrin Wildenberger, Thilo Bock, Tibor Baumann und Marion Alexa Müller.
Aber mog61 e.V. hat sich schon früher für das Lesen interessiert. Bereits 2013 war der Verein beim bundesweiten Vorlesetag dabei und lud am 15. November um 19:30 Uhr in den K-Salon in der Bergmannstraße 54 ein. Der Abend widmete sich damals dem Thema "Grenzen". Es existieren viele Arten von Grenzen - sozialer, ethnischer, körperlicher, psychischer, geistiger oder sprachlicher Natur. Aber wenn man richtig mit ihnen umgeht und sich Mühe gibt, die eigenen Vorurteile hinantanzustellen, können daraus auch Brücken werden. Damals wurden Texte in Blindenschrift von blinden Menschen vorgetragen, Gedichte in japanischer Haiku-Form, Auszüge aus den Werken bekannter Autoren, aber auch selbstverfasste Texte.
Am 25. November 2017 folgte eine Lesung von Miriam Rademacher aus ihrem Kriminalroman "Der Drink des Mörders" im Mehrgenerationenhaus. Dazu gab es Sekt und Knabberzeug und anschließend wurde herzhaft diskutiert.
Vorlesen bedeutet nicht nur Lesen, sondern auch einander Zuhören, miteinander Reden und voneinander Lernen. Weil das so ist, bot mog61 e.V. in diesem Jahr zum Bundesvorlesetag wieder eine Lesung an: Otmane Lihiya las am 14. November um 20:30 Uhr im Restaurant Nonne & Zwerg in der Mittenwalder Straße 13 das Märchen "Aicha, die Tochter des Schreiners". Das ist ein Volksmärchen, das in Marokko mündlich überliefert wird. Dazu sagt er selbst:
"Dieses Märchen hat mich immer sehr fasziniert. Manchmal kam eine Frau zu uns, sie war Erzählerin und Musikerin, wahrscheinlich auch eine Art Kurtisane. Sie hatte einen Fonds von Geschichten, so etwas wie eine mündliche Bibliothek. Wenn diese Frau uns besuchte, am Abend, nach dem letzten Gebet, haben wir sie immer gebeten, etwas zu erzählen. Dann hat sie jedes Mal eine Geschichte erzählt. Das längste Märchen war das von Aicha. Später habe ich sie alle aufgezeichnet."
Aicha, die Tochter des Schreiners
... ist eine lustige Geschichte über das Verhältnis von Mann und Frau. Darüber, welches Geschlecht in der Regel das klügere ist - und weil Märchen häufig einen subversiven Unterton haben, setzt sich die Tochter des Schreiners natürlich gegen die Obrigkeit in Person des Prinzen durch. Trotzdem haben sich am Ende alle lieb. Otmane Lihiya hat viele marokkanische Volksmärchen schriftlich festgehalten. "Aicha, die Tochter des Schreiners" ist eines der schönsten davon. Bei der Lesung am 14. November 2019 im Restaurant Nonne & Zwerg war der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Otmane hat wunderbar gelesen, es war ein sehr intensiver Abend und es waren viele nette Leute da.
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