(1) Klimawandel

Der Klimawandel betrifft auch Berlin. Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Maßnahmen, um ihn aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen?

Die Linke kämpft dafür, dass Deutschland seinen Beitrag zur Einhaltung des Pariser 1,5-Grad-Zieles tatsächlich leistet. Die Klimakrise ist eine soziale Frage, ein Großteil der Emissionen wird von wenigen Unternehmen und Vermögenden verursacht. Die Folgen treffen international und auch in Deutschland die ärmeren Schichten am härtesten. Zusammen mit der Klimabewegung kämpfen wir deshalb für eine sozial ausgerichtete Bewältigung der Krise, bei der große Unternehmen und Vermögende ihren angemessenen Beitrag leisten müssen.

Drei wichtige Maßnahmen für Berlin: (1) Solar- und Energiewendegesetz für einen schnellen Abschied von fossilen Energieträgern. (2) Massive Beschleunigung bei der energetischen Sanierung im Gebäudesektor durch gesetzliche Vorgaben für Eigentümer:innen und mehr öffentliche Förderungen. Im Gegenzug die Verpflichtung, zu bezahlbaren Preisen an Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen zu vermieten. (3) Klimawandelanpassung durch Sicherung der Grün- und Freiflächen (Tempelhofer Feld!), Entsiegelung und mehr Begrünung im öffentlichen Raum.

(2) Wohnen

Die Mieten in Berlin klettern immer höher, gleichzeitig steigt das Risiko für Mieter:innen, wegen Umwandlung in Eigentums-, Ferienwohnungen etc. gekündigt zu werden. Was wollen Sie dagegen unternehmen und halten sie speziell die Enteignung großer Wohnungsunternehmen für hilfreich?

Wir brauchen den Neubau bezahlbarer (!) Wohnungen, vor allem durch landeseigene Unternehmen und Genossenschaften. Teurer Neubau hilft nicht und blockiert wichtige Flächen – „Investoren“ die das nicht mittragen wollen, dürfen Berlin gerne meiden. Daneben muss die Mietenentwicklung im Bestand reguliert werden. Mieten im Wohnen und Gewerbe müssen gedeckelt und Verdränungsstrategien unmöglich gemacht werden. Kurz-, mittel- und langfristig muss der öffentliche und gemeinwohlorientierte Bestand deutlich ausgebaut werden, deshalb unterstützen wir das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen und weitere Instrumente wie zum Beispiel das Vorkaufsrecht.

(3) Verkehr

In Berlin sind derzeit so viele Personenkraftwagen zugelassen wie nie zuvor. Was wollen Sie mit Blick auf den Klimawandel dagegen tun? Sollte das Auto ganz aus der Innenstadt verbannt werden und halten Sie sogenannte Kiezblocks ohne Durchgangsverkehr für sinnvoll?

Ich halte eine weitgehend autofreie Innenstadt für ein wünschens- und unterstützenswertes Ziel. Neben dem Einsparen vom Emissionen geht es dabei auch um wertvolle innerstädtische Flächen, die als attraktive Grünflächen und öffentliche Treffpunkte für die Berliner:innen zurückgewonnen werden können. Die Errichtung von Kiezblocks ist dafür ein Ansatz.

Es braucht dafür den massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – aus Kosten-, Zeit- und Effizienzgründen vor allem der Tram. Das mittelfristige Ziel sollte der Fahrscheinlose ÖPNV für alle sein. Auch eine sichere und attraktive Radinfrastruktur ist für die Verkehrswende wesentlich und muss viel schneller ausgebaut werden. Und nicht zuletzt braucht es die Stadt der kurzen Wege, mit bezahlbaren Wohnungen auch in der Innenstadt und gut ausgebauten sozialen Infrastrukturen und einer guten Nahversorgung überall in der Stadt, um weite Alltagswege zu vermeiden.

(4) Inklusion

In der UN-Behindertenrechtskonvention wird gefordert, dass Menschen mit Behinderung ohne Einschränkung am öffentlichen Leben teilhaben können. Dies ist in Berlin nach wie vor leider nicht der Fall (U-Bahnhöfe ohne Aufzug, Kulturveranstaltungen überwiegend am Abend, zu wenige Übersetzungen in Leichte Sprache etc.). Wie wollen Sie das ändern?

Wir setzen uns für ein selbstbestimmtes Leben aller Berlinerinnen und Berliner ein, auf dem Arbeitsmarkt, in der Gesundheitsversorgung, bei der Mobilität, in Schule, Kultur, Sport und in allen anderen Lebensbereichen. Wir fühlen uns daher der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. Barrierefreiheit und gesellschaftliche Teilhabe denken wir in allen politischen Bereichen mit.

Wir setzen uns für die konsequente Verwirklichung des Maßnahmenplans zur Umsetzung der UN-Behinderten­rechtskonvention und das dauerhafte Monitoring ihrer Umsetzung ein. Wir wollen die Teilhabeberichterstattung weiter verbessern und die Umsetzung der Ergebnisse des Normenkontrollverfahrens zur UN-Behindertenrechtskonvention weiter vorantreiben. Aktuell wird das Landesgleichberechtigungsgesetz novelliert. Diese Novellierung soll bis zum Ende der Legislatur abgeschlossen sein. Dieses Gesetz ist für uns Dreh- und Angelpunkt für die Umsetzung von Inklusion im Land Berlin. Es stellt den allgemeinen gesetzlichen Rahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Land Berlin dar. Unsere Aufgabe wird in der kommenden Zeit sein, die Umsetzung des Gesetzes voranzutreiben und zu begleiten sowie Stellschrauben zu identifizieren, um die Inklusion im Land Berlin weiter zu verbessern.

(5) Wahlrecht

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen sind viele Bürger:innen mit Migrationshintergrund nicht wahlberechtigt, obwohl sie schon lange in Berlin leben. Seit Jahren fordern Initiativen ein „Wahlrecht für Alle“. Wie ist Ihre Position dazu?

Dass in Berlin 800.000 und in Deutschland fast 10.000.000 Menschen nicht wählen dürfen, obwohl sie hier leben, ist nicht hinnehmbar. Die Linke fordert seit Jahren, dass Menschen die seit mindestens fünf Jahren hier Leben, endlich wählen und sich an Volksentscheiden beteiligen dürfen. Entsprechende Gesetzesänderungen müsste der Bundestag beschließen. Die Linke hat wiederholt entsprechende Gesetzesvorschläge eingebracht (Bundestagsdrucksachen 19/16 und 18/3169) und wird sich weiterhin vehement für die Sache einsetzen. Im Übrigen sind wir auch dafür, dass Menschen ab einem Alter von 16 Jahren wählen dürfen.

(6) Verhältnis Bürger:innen / Politik

Viele Bürger:innen beklagen eine zunehmende Entfernung der Politik von ihrem Alltag. Folgen Sie selbst mehr Ihrem Gewissen, dem Wählerauftrag oder dem Fraktionszwang? Und warum reden Politiker:innen häufig so kompliziert?

Die Linke ist die einzige Partei im Bundestag, die keine Spenden von Konzernen und Superreichen annimmt. Dies sichert unter anderem ab, dass wir im Sinne unserer Wähler:innen handeln. Wie meine gesamte Partei versuche auch ich in meinem Bereich – der Wohnungs- und Mietenpolitik – eine aktiv ordnende Politik durchzusetzen. Die Menschen dürfen nicht dem freien Spiel des gar nicht so freien und sozial blinden Marktes überlassen werden. Es braucht soziale Regulierungen, von denen die überwältigende Mehrheit in diesem Land profitieren würde. Diesen Ansatz versuche ich klar und verständlich zu kommunizieren.

Ich glaube, die oft kaum nachvollziehbare Sprache genauso wie inhaltsleere Phrasen vieler Politiker:innen sollen vertuschen, dass man sich mit der Politik der letzten Jahrzehnte, die den Sozialstaat verteufelt und dem Markt den absoluten Vorrang einräumt, in eine Sackgasse begeben hat. Die Vertreter:innen dieser Politik haben keine Antworten auf die sozialen und ökologischen Krisen unserer Zeit und müssen dies rhetorisch verschleiern.

(7) Corona

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Falls die Infektionszahlen weiter steigen, sollte es nach Ihrer Ansicht im Winter erneut einen Lockdown geben und was halten Sie von einer allgemeinen Impfpflicht?

Die Frage der Impfungen ist auch eine soziale Frage. Während die Ober- und Mittelschicht sich weitgehend hat impfen lassen, gibt es vor allem in ärmeren Schichten teilweise eine größere Skepsis, die zum Beispiel aus schlechten Erfahrungen mit Behörden oder dem Gesundheitssystem erwachsen. Ich bin gegen eine Impfpflicht oder kostenpflichtige Tests, sondern für Aufklärung, niedrigschwellige Angebote in Zusammenarbeit mit vielfältigen lokalen Akteuren und mehrsprachigen Ärzteteams.

Ein weiterer Lockdown sollte unbedingt vermieden werden, weil insbesondere ärmere Familien, Kinder, Jugendliche, ältere oder auch beeinträchtigte Menschen besonders unter Lockdowns, Homeschooling, fehlenden sozialen Kontakten und sozialen Angeboten leiden. Die Möglichkeit für bestimmte Angebote die sogenannte 2-G-Regelung einzuführen, finde ich richtig, um auch so einen weiteren Anreiz zur Impfung zu schaffen – Menschen, die sich nicht impfen lassen können, müssen natürlich ausgenommen bleiben.

Gaby Gottwald, Die Linke