Donnerstags liest Gabi von mog61 e.V. immer online Geschichten vor
Gabi ist Mitglied von mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. Bei unserem Online-Treffpunkt während der Corona-Pandemie betreut sie die Rubrik "Zeit zum Vorlesen". Hier stellen wir sie und das Projekt vor.
Gabi, du liest schon seit einem Monat jeden Donnerstag online eine Geschichte vor. Macht dir das Spaß? Warum tust du das?
Vorlesen macht mir großen Spaß, immer schon. Manchmal lese ich mir selbst vor, ich lese einfach allein laut, so wird mir das, was ich lese, nochmal räumlicher, näher, intimer - und auch lebendiger. Ich habe das Gefühl, es ist dann nicht mehr allein in meinem Kopf. Und die Figuren in den Geschichten fegen den Papierstaub von ihren Schultern und fangen an, herum zu spazieren. Und es gibt so ungeheuer schöne, bewegende Literatur, man muss sich ihr nur hingeben - und sie zu sich hinein bitten.
Als wir überlegten, was jede und jeder von uns bei mog61 in der „Lockdown“-Zeit online anbieten könnte und möchte, war mir sofort klar - ich will vorlesen.
Die erste Geschichte ging über eine Katze, die Angst vor Katastrophen hat.
Ja, sie sieht ein bisschen aus wie eine Katze, ist aber eine Filifjonka. Das ist ein ganz eigenes Geschöpf aus der wunderbaren Phantasiewelt von Tove Jansen, die auch die Mumins erdacht hat. Charakterstarke und eigenwillige und sonderbare Trolle - im alten Sinn des Wortes - die in ihrer eigenen Welt so mancherlei erleben. Die Filifjonka nun hatte immer Angst vor dem, was kommen könnte. Als die reale Katastrophe kommt, ist diese aber ganz anders als sie dachte….ich mag diese Geschichte sehr, sie ist so liebevoll, aber auch so dramatisch.
Ich erinnere mich an einen Text über den Umgang mit sich selbst.
Ja, die fand ich in meinem Bücherregal. „Der Knigge“ ist ja ein geflügeltes Wort, unter dem man sich verstaubte Verhaltensregeln vorstellt, man denkt an die eigene Tanzstunde vor langer Zeit, an Ordnung, Gehorsam, altmodische Geschlechterrollen - dabei hat der Freiherr von Knigge sich sehr feinsinnig Gedanken gemacht darüber, wie man achtsam und sorgsam mit sich selbst umgehen möge. Ich fand diesen Abschnitt aus dem Jahr 1788 für unsere aktuelle Zeit so passend. Die altmodische Sprache einmal etwas modernisiert, könnte man das auch auf YouTube stellen.
Und in der Woche darauf kam eine Kurzgeschichte aus Spanien.
Da habe ich lange nach gesucht. Auslöser war, dass dieser Tage ein wunderbarer chilenischer Autor verstorben ist, Luis Sepúlveda, den ich sehr mochte. Von ihm hatte ich aber nur Geschichten auf Spanisch da, und übersetzt klingen die für mich nicht mehr so zauberhaft. Also sollte es etwas Spanisches sein, was gut im Deutschen funktioniert. Gefunden habe ich dann „Komm, ich erzähle Dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay. Über die kleinen Fabeln und Gleichnisse konnte man gut ins Gespräch kommen in unserer Leserunde.
Schließlich etwas Lustiges aus New York.
Was man im Moment aus New York hört, ist ja leider überhaupt kein bisschen lustig…das ist aber nicht der Grund, warum ich Lily Brett mit ihren Kurzgeschichten gewählt habe. Es gab einen aktuellen persönlichen Ankerpunkt mit NY und dazu wollte ich einmal ausprobieren, ob Kurzgeschichten als Anregung, als „Teaser“ für Romane der Autoren funktionieren. Tatsächlich sind Kurzgeschichten gar nicht so mein Ding, und in diesem Fall wollte ich Appetit machen auf „Chuzpe“, einen hinreißenden Roman von Lily Brett. Ob es funktioniert hat? Jedenfalls hatten wir eine angeregte Diskussion über ihre Kurzgeschichten …
Hast du selbst irgendwelche ausgesprochenen Lieblingsautoren?
Nein, es gibt so viele wunderbare Schriftsteller*innen. Ich bin da nicht festgelegt. Ich liebe Jakob Wassermann anders als Wolfgang Herndorf. Und Arundhati Roy anders als Emile Zola. Und so weiter.
Liest du viel? Und wenn du einen einzigen, wirklichen Lieblingstext aussuchen müsstest, welche Geschichte wäre das?
Ja, ich lese viel. Ein Anwärter für diesen einzigen, wirklichen Lieblingstext ist nach wie vor und immer wieder und sowieso - Huck Finn. Schon IMMER mein Held gewesen.