Das Interview

Ich bin Marie von mog61, Miteinander ohne Grenzen e.V. Bernard, du hast heute zum zweiten Mal bei einer Veranstaltung von mog61 gespielt. Wie hat es Dir gefallen?

Bernard Mayo: Heute hat es mir sehr gut gefallen, das letzte Mal auch. Aber heute war ich etwas entspannter. Ich fand es sehr gut, dass ich den ganzen Abend für mich hatte und dass wir die Möglichkeit hatten, unser Quartett vorzustellen.

Ich bin Jörg und Lehrer. Ich habe heute einen neuen Musiker in deiner Band erlebt. Nach welchen Kriterien suchst du deine Musiker aus?

Die Voraussetzung ist, dass wir menschlich zusammenpassen. Musik ist eine Teamarbeit. Und wenn die Chemie stimmt, dann funktioniert auch die Musik. Es muss ja nicht unbedingt der supergute Pianist oder Gitarrist sein, sondern ein Mensch, der mit mir kommunizieren kann.

Jörg: Du hast bei einem Titel gesagt, dass der eigentlich von Coco gesungen wird. Das ist ein junges Mädchen, eine Jugendliche. Arbeitest du gerne mit Jüngeren zusammen?

Meine Musik kennt keine Grenzen. Ich experimentiere sehr gerne. Mit Menschen, Musikstilen, mit allem, was für mich fremd ist. Wenn ich ein Konzert mache, spüre ich, wie gut  die Musik ankommt bei der jungen und älteren Generation. Das ist nicht begrenzt auf ein bestimmtes Alter. Neulich kamen zum Beispiel zwei Jungs zwischen neun und elf auf mich zu, die haben sich in meine Fan-Liste eingetragen. Ich gehöre nicht zu ihrer Generation, aber die Musik spricht sie an.

Ich bin Gora und Pflegerin. Du hast heute ein paar Sätze auf Deutsch gesungen. Werden wir von dir künftig noch mehr auf Deutsch hören?

Ja, natürlich, wenn ihr mir Texte auf Sächsisch schreibt… (lacht). Eigentlich singe ich gerne in fremden Sprachen. Selbst wenn mir das manchmal schwer fällt. Auf Deutsch zu singen, war für mich besonders schwer, wegen der Aussprache. Ich liebe die deutsche Sprache sehr, weil sie so reich ist. Aber sie ist auch ziemlich kompliziert. Und das geht nicht mit jeder Melodie, das ist nicht wie Englisch oder Lingala.

Ich bin Virna, ich arbeite im Stadtteilzentrum. Mit welchen Sprachen bist du aufgewachsen?

Ich bin mit vielen Sprachen aufgewachsen. Lingala ist meine erste Muttersprache und Französisch meine zweite. Was für mich die Lieblingssprache ist, hängt immer davon ab, was ich ausdrücken möchte. Ich kann meine Gefühle nicht gleichermaßen gut in Französisch oder in Lingala ausdrücken. Wenn ich einen Text auf Französisch schreibe, dann bin ich mehr „précis“ mit meinen Gefühlen, also genauer.

Ich bin Klaus und Journalist. Magst du „Franco et le Tout Puissant OK Jazz“ genauso gern wie ich?

Ja! Franco – das ist die Band, die mich par excellence beeinflusst hat in Sachen Lingala und kongolesische Rumba. Wir waren ganz klein, als wir angefangen haben, Rumba von Franco zu hören. Das war genauso, wie ich es heute mache, wenn ich mit Kindern arbeite. Ich möchte ihnen helfen, ihren eigenen Zugang zu finden. Als ich selbst klein war, habe ich Lieder von Franco gelernt, aber eben auf meine Weise. Ich habe auch nicht versucht, besser als die anderen zu singen, sondern ich habe das einfach genommen und akzeptiert.

Marie: Jetzt bin ich neugierig. Du arbeitest mit Kindern?

Ich habe mich als Junge viel um meine kleineren Geschwister gekümmert. Inzwischen hängt das aber auch mit meiner Kunst zusammen. Ich bin Musiker, aber auch Maler. Und ich mache Comic-Zeichnungen, Trickfilme und solche Sachen. Mit Kindern arbeite ich seit 2000. Mit dem Haus der Kulturen der Welt habe ich Projekte gemacht. Dadurch habe ich die Welt der Kinder entdeckt. Das sind alles kleine Genies. Jedes Kind kann singen, jedes Kind ist kreativ, viel kreativer als wir Erwachsenen. Leider geht viel verloren, wenn da Leute auftauchen und sagen: Hey, du kannst das nicht,  du musst das besser so und so machen…

Marie: Du hast daraus einen Beruf gemacht?

Nachdem ich mehr als 15 Jahre lang in verschiedenen Schulen mit Kindern gearbeitet habe, habe ich mich entschieden, Erzieher zu werden. Ja, ich bin inzwischen Erzieher von Beruf.

Jörg: Ich erinnere mich an einen Text von dir, da war ein Kind, das hat eine dreibeinige Giraffe gemalt…

Bei einem Trickfilmprojekt hat ein Kind eine Giraffe gezeichnet mit drei Beinen. Und dann kam die Lehrerin und sagte: Eine Giraffe mit drei Beinen gibt es doch nicht! Eine Giraffe hat vier Beine! Das Kind antwortete: Ja, aber meine Giraffe hat drei Beine, weil sie ein Bein im Krieg gegen die Löwen verloren hat! Wenn ein Kind zeichnet, dann hat es schon eine ganze Geschichte im Kopf. Das ist total spannend.

Virna: Wir leben in schwierigen Zeiten. Es gibt viel Rassismus und Sexismus. Was sagst du dazu? Der moderne Mann von heute, soll der Frauen unterstützen?

Das ist eine Frage der Ethik. Für einen gesunden Menschen ist es selbstverständlich, dass die Frau Unterstützung bekommt, wenn sie welche braucht. Auch wenn ihr selbst das gar nicht bewusst ist. Für Rassismus und Sexismus gibt es keinen Platz. Viele Leute denken, wenn man aus Afrika kommt, dass man das okay findet, weil die Gesellschaft dort immer noch so patriarchalisch ist. Nein. Das muss aufhören! Punkt.

Virna: Hilfst du selbst deiner Freundin im Haushalt?

Ja, natürlich. Ich finde das aber auch ganz normal. Für mich ist das gar keine Frage. Ob es nun darum geht, abzuwaschen oder Katzen um zwei Uhr nachts zu füttern. Ja, ich bin ein moderner Mann. Wirklich.

Klaus: Du bist ein Schwarzer, du lebst seit langem in Berlin. Wenn du zurückblickst, hast du hier schlechte Erfahrungen wegen deiner Hautfarbe gemacht?

Schlechte Erfahrungen habe ich hier genauso gemacht wie im Kongo. Aus dem Kongo bin ich geflohen – und hier kann ich wenigstens Kritik üben, ohne bedroht zu werden. Ja, das habe ich schon erlebt. Aber wie man darauf reagiert, dass ist ja das Spannende. Ich habe einmal in einer Telefonzelle telefoniert. Und jemand war draußen, dieser Typ hat gegen das Glas gehauen und gesagt: Du solltest zurück nach Hause, nach Afrika, gehen und dort telefonieren! Ich habe weiter telefoniert. Und als ich fertig war, bin ich rausgegangen und habe ganz ruhig und höflich gesagt: Bitte schön! Dann bin ich gegangen.

Klaus: Du meinst: Du machst hier zwar negative Erfahrungen, aber du kannst dich dagegen wehren?

Natürlich. Wichtig ist: Wie reagiert man darauf? Die Leute, die rassistisch sind, die haben in meinen Augen Probleme mit sich. Die haben kein Problem mit mir, sondern ein Problem mit sich.

Marie: Wenn man auf deine Diskografie blickt, hat man den Eindruck, dass du irgendwann Anschluss gefunden hast und mit den Großen hier in Berlin und in der Welt aufgetreten bist. Dann gibt es plötzlich ein Loch. Warum?

Das Problem ist, dass wir Afrikaner – ich meine: ich bin deutscher Bürger, ich bin Berliner Bürger - nicht so guten Zugang zur Presse haben. Es ist entscheidend für einen Musiker, dass seine Musik auch veröffentlicht und besprochen wird. Aber das haben wir nicht. Wir hatten das Radio Multikulti hier in Berlin, in der Masurenallee. Da hatte ich als Moderator gearbeitet. Ich habe moderiert auf Deutsch. Aber ich singe aus meinem Herzen auf Lingala, auf Französisch. Und weil ich in diesen Sprachen singe, kommt meine Musik nicht im Radio. Und auch nicht im Fernsehen.

Bernard Mayo Quartett

am 03.11.2018

bei Nonne & Zwerg

Bernard Mayo wurde in Kisangani im Kongo geboren. Vor dem Mobutu-Regime floh der gelernte Journalist 1994 nach Berlin. Dort trat er mehrfach beim „Karneval der Kulturen“ auf und ist fester Bestandteil der Berliner Weltmusik-Szene. Mayo ist Musiker, Maler, Comic-Zeichner und Trickfilm-Produzent. Er hat inzwischen eine Ausbildung als Erzieher gemacht.

Besetzung: Bernard Mayo (Gesang, Gitarre), Ilja Braun (Keyboard), Morris Mungoy (Percussion), Nana Bernard (Bass).

Echo Bernard Mayo

Das Konzert ist gut gelaufen. Die Location war leicht zu finden und gut erreichbar mit U-Bahn oder Bus. Ich möchte mich bei dem CD-Producer bedanken, ohne sein Engagement hätten wir unsere Maxi-CD-Release nicht geschafft. Konzert und CD sind sehr wichtig für uns. Als Band, die eine andere Musik spielt, haben wir hier keinen Zugang zu den traditionellen Medien. Deshalb können wir nur so den Kontakt mit unserem Publikum pflegen.

Echo Nonne & Zwerg

Ich war mit dem Konzert sehr zufrieden. Die Musik war super. Die Stimmung kam gut an. Es kamen viel, viel mehr Gäste als erwartet. Wir haben uns an dem Abend schon gefragt: Wo kommen die alle auf einmal her? Ja, wir haben genug Umsatz gemacht an dem Abend. Wir hatten vorsichtshalber mehr Personal eingestellt und das hat sich auch bewährt. Die Zusammenarbeit mit dem mog61 e.V. war ausgezeichnet. Das war gut vorbereitet. Das war sehr klar. Die Musiker und Tontechniker wussten, worum es ging. Von der Werbung hab ich nicht viel mitgekriegt. Ich war fokussiert auf unseren Laden und der war voll. Kommunikation mit den Künstlern gab es wenig. Wir hatten zu tun, die hatten zu tun.

Kay Biermann, Gesellschafter Nonne & Zwerg

Das Interview entstand nach dem Konzert am 03.11.2018. Um das Gespräch abwechslungsreicher zu gestalten, gaben wir auch dem  Publikum Gelegenheit, sich mit ihm zu unterhalten - damit die verbliebenen Zuhörer Bernard Mayo gleichsam alles fragen konnten, was sie schon immer von so einem Musiker wissen wollten. Dadurch kam es zu einem sehr intensiven, kreativen Austausch.