Die Nächte sind kurz in Berlin
Fête de la Musique auf der mog61-Bühne in der Fürbringerstraße
von Klaus Stark
Es hängt alles vom Wetter ab. Und das Wetter ist gut an diesem Tag: Sonne mit ein paar Wolken, angenehme 25 Grad Celsius, leichter Westwind. Kein Regen in Sicht. Und das ist die Hauptsache. „Bei gutem Wetter sind die Leute gut gelaunt“, sagt Marie Hoepfner.
Sie ist Vorsitzende eines Vereins in Berlin-Kreuzberg namens „Miteinander ohne Grenzen“ und zur diesjährigen „Fête de la Musique“ hat er in der Fürbringerstraße eine große Bühne aufgebaut. „Die größte Bühne im Kiez“, sagt Marie gern. Die „Fête de la Musique“ findet jedes Jahr am längsten Tag des Jahres statt, am 21. Juni, zur Sommersonnenwende. Dieses Jahr gibt es allein in Berlin mehr als 140 Bühnen. Marie stammt selbst aus Frankreich, wo die Fête noch mit viel mehr Hingabe begangen wird. „Überall in Paris hört man Musik. Man pilgert von einer Bühne zur anderen. Dieses Gefühl möchte ich gerne nach Berlin transportieren.“
Schon am frühen Morgen haben sie und ihre Helfer die letzten Autos abschleppen lassen, die die Straße blockieren. Dann wird die Bühne aufgebaut, Tische und Bänke müssen aufgestellt werden, Plakate aufgehängt. Soundcheck mit dem Toningenieur. Ab 16 Uhr werden sechs Bands auftreten, alle stammen aus Berlin und der näheren Umgebung. Und schon trudelt neugierig das erste Publikum ein.
Als die ersten Songs von den „Late Night Tipplers“ aus den Lautsprechern scheppern, ist die Straße bald voll. Am Ende des Tages werden mehr als tausend Menschen die Bühne besucht haben – darunter viele Anwohner aus dem Kiez. Sie haben nicht nur gegessen, getrunken und getanzt. Sie sind beieinander gesessen, haben miteinander geredet, gefragt, wie es den Kindern oder der Großmutter geht und sich ausgetauscht. Berlin ist eine Großstadt, aber in diesem Teil Kreuzbergs geht es manchmal zu wie in einem Dorf. „Es geht nicht nur um die Musik, es geht auch um Nachbarschaft“, sagt Marie.
Damit so ein Fest funktioniert, braucht es nicht nur Rostbratwürste und Pilzpfanne. Nicht nur Tische, Bänke, jede Menge Bier, Caipirinha, Mojito, eine transportable Behindertentoilette und ein paar lustige Luftballons. Es braucht auch elektrischen Strom. Und weil die Musiker auf der Bühne richtig Krach machen wollen, brauchen sie Dreiphasen-Wechselstrom. Die orangen Verteilerkästen wurden schon vor ein paar Tagen aufgebaut und die Kabel verlegt. Für den Anschluss musste der Verein diesmal leider teuer bezahlen, aber den Strom bekommt er von Vattenfall umsonst. Immerhin. Und beim Straßenfest im Herbst, hat der Berliner Monopolist versprochen, soll auch der Anschluss kostenlos sein.
Vor der Bühne sammeln sich immer mehr Menschen. Am späten Abend wird es mit einer Mischung aus Rock und Heavy Metall von „Sonator“ aus Potsdam noch einmal richtig laut. Aber um 22 Uhr ist pünktlich Schluss – so will es das Ordnungsamt und so wollen es viele Anwohner, die schließlich auch irgendwann Schlaf finden müssen. Jetzt ist noch einmal Arbeit angesagt: Bühne abbauen, Stände abbauen, Tische und Bänke abbauen, Tontechnik abbauen, Müll zusammenkehren. Weit nach Mitternacht sitzen sie noch zusammen. Marie von mog61 e.V., ein paar Unterstützer, der Wirt vom „UnterRock“, der das Bier ausgeschenkt hat. Ist alles gut gelaufen? Wollen wir das nächstes Jahr wieder machen? Ja, vermutlich schon.
Die Luft ist lau, die Nächte sind kurz in Berlin im Hochsommer. Und im Osten wird es schon langsam wieder hell.