“Es tut uns allen gut!”

Das sind Vera, Simone, Antonia und Marianne (v. li.). Die Nähmaschine links oben ist sehr symbolisch.

Seit mehr als einem Monat näht eine zwölfköpfige Gruppe um die Schneiderin Marianne behelfsmäßige Mund-Nasen-Masken aus Baumwollstoff. An die 1000 Stück sollen es werden, das Design wurde bereits von Kennern gelobt. Wir haben die Masken-Werkstatt von mog61 besucht. Ein heller Raum mit drei Nähmaschinen. Wir treffen Marianne, Simone, Antonia und Vera.

Wie kamt ihr überhaupt auf die Idee mit den Masken?

Marianne: Wir haben ja alle Corona mitbekommen, dass die Masken überall knapp waren. Ich hatte das in meiner Werkstatt schon einmal ausprobiert und schon die eine oder andere Maske gemacht und überlegt: Wie kann man eine Produktion aufbauen, die schnell geht? Dann kam Marie, die Vorsitzende von mog61, auf mich zu und fragte, ob ich das machen könnte. Wir hatten aus unserem Projekt „Nähen ohne Grenzen“ noch ganz viel Stoff von dem Geschäft "WollLust" und da schlug sie vor, dass wir daraus Stoffmasken nähen könnten. Das war eine super Idee! Ich habe ihr gezeigt, wie ich mir das vorstelle, wie man das am besten organisieren kann, so dass wir mit mehreren Leuten arbeiten können, aber nicht jeder hier in der Werkstatt sein muss, sondern auch zu Hause arbeiten kann. Ja, so kam das. Und dann sind wir in die Produktion gegangen.

Simone: Ich bin stolze 29 Jahre alt, ich unterrichte Gesang, Tanz und Schaupiel und dadurch habe ich auch Marianne kennengelernt.

Da wart ihr ja nur zu zweit. Wie habt ihr weitere Mitstreiter*innen gefunden?

Marianne: Erstmal gab’s kaum Leute, die mitgemacht haben. Dann habe ich meine Nähschülerinnen gefragt, die in meine Nähkurse kommen, die waren alle hellauf begeistert und haben gesagt: Da machen wir mit! Dann kam Simone noch dazu und Simone brachte Vera, brachte Antonia, brachte Katharina mit und so wuchs die Gruppe von Mal zu Mal. Ich hab unsere Nachbarin gefragt, die kam zusammen mit ihrer Tochter dazu. Selbst mein Mann hat mitgemacht. So wurden wir eine große Gruppe, die letztendlich diese Masken produziert hat.

Ihr habt offenbar eine Art Arbeitsteilung. Wer kümmert sich um was?

Simone: In den meisten Fällen bin ich die Büglerin oder ich schneide den Stoff zu. Und da ich immer Probleme habe, gerade Linien zu nähen, sind das meine Hauptjobs. Antonia und Vera können supergut nähen, die sind sozusagen die Leute für die geraden Linien. Das ist die Aufteilung, wenn wir genug Stoff haben, wenn alles da ist. Wir sind aber variabel, das heißt, wenn jetzt doch genäht oder gebügelt werden muss, macht jeder das, was zu tun ist.

Warum hilfst du hier mit?

Simone: Es macht mir Spaß und ich habe das Gefühl, ich kann vielleicht etwas beisteuern für Leute, die kein Geld haben, sich eine Maske zu kaufen, oder die in irgendeiner Weise eben keine Maske bekommen. So kann ich ein bisschen soziales Engagement meinerseits in dieser Krise zeigen.

Antonia: Ich bin 16 Jahre alt und geh noch zur Schule. Ich nähe gern, ich singe gerne. Ich singe im Kinderchorf der Komischen Oper und spiele Klavier und Cello.

Antonia, du legst hier gerade Stoffe zusammen. Warum machst du mit?

Antonia: Ja, es ist das erste Mal, dass ich das mache. Eigentlich nähe ich sonst immer. Und das macht super viel Spaß. Nähen ist ein cooles Hobby. Ja, und mit Stoffen umgehen und aus denen etwas Kreatives machen, das ist einfach toll. Das Gefühl, dass man nach dem Nähen so etwas in der Hand halten kann, dass man etwas geleistet hat.

Wie oft trefft ihr euch hier? Immer Mittwochs?

Antonia: Ja, einmal die Woche. Vier Stunden meistens.

Simone: Was eigentlich das Coolste ist: Wir sind hier zusammen, wir haben Spaß und wir lachen und wir erzählen uns alles Mögliche, Sachen, die uns begegnet sind, und nebenbei näht man und tut noch etwas Gutes.

Vera, du sitzt hochkonzentriert an der Nähmaschine und lässt dich gar nicht ablenken.

Vera: Na ja, es muss ja hier weitergehen. Nur weil du jetzt kommst, können wir ja nicht alle aufhören.

Wie kamst du zum Mund-Nasen-Masken-Nähen?

Vera: Ich kenne Simone und sie fragte mich, ob ich nähen kann. Da fiel mir ein: Ja, vor 50 Jahren hab ich mal einen Nähkurs besucht und so kam ich hier zur Nähmaschine. Und wurde gleich von Marianne eingewiesen. Es ist wie Fahrradfahren: Man verlernt’s nicht. Ich mache etwas Sinnvolles und freue mich drüber.

Jetzt seid Ihr aber nicht nur zu viert, sondern eine richtige Manufaktur. Wer gehört noch alles dazu?

Marianne: Dazu gehören noch Änne und Andrea, das sind Nähschülerinnen von mir, die von zu Hause aus arbeiten. Wenn wir, so wie jetzt zum Beispiel, soweit fertig sind, erledigen sie den letzten Schliff. Also die Falten sind eingebügelt und alles ist da, dann nähen sie die Bänder an oder jetzt die Gummis. Die übernimmt dann mein Mann, der ist immer rumgefahren und hat alles ausgeliefert und wieder hierhergeschafft. Der war auch damit beauftragt, uns Bänder zu besorgen, so viel es geht. Das war ganz schön schwierig, weil alles ausverkauft war in dieser Stadt.

Vera: Ich bin 64 Jahre alt und bin Berlinerin. Ich mach Yoga bei Simone, so haben wir uns kennengelernt.

Dann arbeiten noch Petra und Judith mit, das sind Nachbarsfreundinnen, die über uns wohnen. Judith ist 13, Petra ist etwas über 50. Katharina kam über Simone und singt im RIAS-Kammerchor. Sie arbeitet auch von zu Hause aus und bügelt. Dann gibt es natürlich noch Marie, die hat gebügelt wie eine Verrückte. Maike bügelt auch mit einem Riesen-Engagement. Und dann ist vor Kurzem noch Martina dazugekommen. Martina sollte eigentlich auch erst bügeln. Aber sie ist viel besser im Besorgen von Stoffen. Sie kann unheimlich gut auf Leute zugehen und Mails schreiben und hat für uns 100 Meter Stoff besorgt, den wir schon zum Teil verarbeitet haben. Das ist die gesamte Gruppe, ja, das sind alle.

Eure Designs wurden schon gelobt. Die Berliner Caritas hat sehr nette Sachen darüber geschrieben. Bei der Farbe des Stoffes und der Bänder – überlegt ihr euch das oder nehmt ihr einfach, was ihr gerade habt?

Marianne: Wir nehmen den Stoff, den wir kriegen. Aber wir haben uns schon Gedanken zu den Bändern gemacht, von der Farbe her. Natürlich auch zu den Garnen, das muss ja zueinanderpassen. Dementsprechend versuchen wir schon, die Masken so schön wie möglich zu gestalten. Das soll ja nicht so ein Standardding werden. Wir wollten schon ein bisschen individuell sein.

Wie viele Masken sollen es denn werden insgesamt?

Marianne: Wir peilen erst mal eine Stückzahl von 1000 an, laut Aussage von Marie. Und die haben wir schon fast erreicht. Wir hatten ja schon über 600 und wir haben jetzt noch ganz viel weißen Stoff verarbeitet ... Ich schätze, das werden noch mal mehr als 400. Und dann sind wir so verblieben, dass wir das Programm erst mal stoppen und abwarten, was passiert. Wir haben ja immer noch weißen Stoff. Wenn jetzt erneut ein Masken-Engpass kommen sollte, könnten wir nochmal einsteigen. Wir sind mittlerweile auch so erfahren in dieser Arbeit, dass wir in Nullkommanichts wieder starten könnten. Es gibt hier übrigens auch noch dünnen schwarzen Stoff für die Anzugträger, damit es im Sommer nicht so warm ist. Oder für die Easy-Rider-Fraktion. Wir haben tatsächlich innerhalb von nicht einmal vier Wochen über 600 Masken genäht. Das ist schon verrückt.

Vera: Das liegt auch daran, dass du das alles in kleine Schritte eingeteilt hast, die dann von jeder übernommen werden können.

Marianne: Ich bin 57, bin eigentlich Schneiderin, arbeite aber im Büro. Ich habe eine Nähwerkstatt, unterrichte im Nähen und mach auch Yoga bei Simone!

Simone: Marianne hat die Teilschritte super organisiert und ausgeklügelt und es ist immer alles vorbereitet, wenn wir kommen. Man muss nur noch anfangen. Sie macht das großartig!

Marianne: Man muss aber auch dazusagen, das Ganze funktioniert nur so gut, weil ich Leute habe, die einfach alles machen, was ich sage (großes Gelächter). Es ist keine da, die meckert oder der sagt: Nee, das will ich jetzt nicht, ich möchte lieber doch was anderes machen. Ich sage, was gemacht werden muss, und sie machen das und wir sind schnell und gut.

Wenn man hier in der Werkstatt ist, hat man das Gefühl, dass es euch wirklich großen Spaß macht.

Marianne: Wir haben in dieser Gemeinschaft gemerkt, dass es uns unheimlich gut getan hat, einfach zusammen zu sein, etwas zu produzieren, zu sehen, zu was wir alles fähig sind, was wir alles schaffen können. Wir haben nicht nur genäht, sondern es hat uns auch richtig glücklich gemacht.

Simone: Gerade in dieser Zeit der Isolation tat diese gemeinschaftliche Arbeit jeder von uns gut und man sieht am Ende des Tages ein reales Ergebnis.

Vera: Man kann sich ja auch nicht immer nur um die Älteren kümmern. Das ist natürlich auch ein wichtiger Teil, wie in meinem Fall, dass ich meine Mutter, die 83 Jahre alt ist und eben zur Risikogruppe gehört, versorge. Aber ich hab mich schon gefreut, hier auch noch etwas weiteres Sinnvolles zu tun.