Trotz des trockenen Sommers gab es auf den mog61-Beeten viele Neuzugänge
Es war ein langer, trockener und in botanischer Hinsicht ausgesprochen schwieriger Sommer. mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. kümmert sich seit drei, vier Jahren um einige Beete rund um den U-Bahnhof Gneisenaustraße und hat dabei ein besonderes Auge auf Stockrosen geworfen - herrliche bunte Sommerblumen, die besonders gut geeignet sind, Asphalt, Beton und der tobenden Autolawine etwas entgegenzusetzen. Nun litten unsere Stockrosen im vergangenen Jahr leider unter sich pandemieartig ausbreitendem Malvenrost - das ist ein kleiner, hässlicher roter Pilz, der Blätter und Stängel befällt. Als Folge hat kaum eine Stockrose den Winter überlebt. Der trockene März tat dann ein Übriges. Inzwischen haben wir neue Pflanzen ausgesät und hoffen auf das kommende Jahr. So ist das eben mit der Natur.
Aber es gibt auch gute Nachrichten von der Vereins-Flora. Wir konnten diesen Sommer auf unseren Beeten einige neue Gäste begrüßen: den Falschen Orient-Mohn (Papaver pseudoorientale) zum Beispiel (Fotos von o. nach u.), eine knallrote Farben-Explosion, um die wir uns schon einige Jahre bemüht hatten und von denen jetzt Mitte Mai endlich an der U-Bahn gleich mehrere gleichzeitig blühten. Auch um die violette, über einen Meter hohe Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa) warben wir schon einige Zeit - das sind alles zweijährige Pflanzen, die erst im zweiten Jahr blühen, dann aber hoffentlich eine Weile bleiben.
Die Breitblättrige Platterbse (Lathyrus latifolius), die normalerweise meterweit durch die Gegend wuchert, ist noch ein bisschen scheu und brachte es in diesem Sommer nur auf ein paar wenige Blüten. Aber wie schön sind sie! Ganz besonders freuen wir uns über die zartrosa blühende Moschus-Malve (Malva moschata). Davon hatten wir vor Jahren schon einmal im Beet Samen ausgesät - ohne den geringsten Erfolg. Jetzt gönnten wir ihr eine intensive Vorkultur auf dem heimische Balkon und inzwischen wächst sie auch im Freiland an der Gneisenaustraße fast so unbekümmert wie Unkraut. Und dann ist da noch eine wunderschöne Gewöhnliche Eselsdistel (Onopordum acanthium) mit ihren wehrhaften Stacheln.
Zu den Neuzugängen in diesem Jahr zählten auch einige eher konventionelle Sommerblumen (hier ohne Foto), wie man sie häufig in Gärten oder auf Gräbern auf dem Friedhof findet: das gelbe Garten-Sonnenauge (Heliopsis helianthoides), Langblättriger Ehrenpreis (Veronica longifolia), die violette Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) und unser erster Hoher Rittersporn (Delphinium elatum; Foto ganz u.). Wir sind bekennende Rittersporn-Fans und wollen das künftig noch ausbauen. Vor allem hätten wir gern hellblaue Karl-Foerster-Sorten.
Dann gelang es uns noch, den gelben Wiesen-Bocksbart (Trapogon pratensis) in mehreren Exemplaren direkt neben dem rauschenden Autoverkehr anzusiedeln. Er ähnelt dem Löwenzahn, ist nur deutlich größer und hat den Nachteil, seine Blüten immer nur vormittags bis etwa zwölf Uhr zu öffnen - eine Zeit, in der die Vereinsmitglieder meist mit anderen Dingen beschäftigt sind. Deshalb gibt es hier nur ein Foto von seinem hübschen Samenstand, der als Korbblütler ebenfalls an die bekannte "Pusteblume" erinnert.
Wir experimentieren verstärkt mit Gräsern (keine Fotos) und haben dabei neben der Schneeweißen Hainsimse (Luzula nivea) vor allem verschiedene Hirsearten entdeckt: die Gewöhnliche Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli), Wilde Sorghumhirse (Sorghum hallepense) und die besonders elegante Gewöhnliche Rispenhirse (Panicum miliaceum), eine alte Getreidepflanze, die in Europa von Kartoffel und Mais verdrängt wurde. Ja, sie besitzen keine bunten Blüten, aber auf ihre Art sind diese Gräser genauso wunderschöne Geschöpfe.
Wenn sich Leser:innen jetzt fragen, was wohl aus all den anderen Blumen vom vergangenen Sommer geworden ist - den Kartäusernelken, Pechnelken, Grasnelken, Nickenden Disteln, dem inzwischen wild wuchernden Wiesensalbei, aus Leinkraut, Klatschmohn, den gelben Königskerzen, Nachtkerzen, unseren Lupinen, Acker-Glockenblumen, den verschiedenen violetten Wickenarten: Ja, gibt es alles noch. Auf dem großen Beet an der Gneisenaustraße etwa hatten wir während des Frühsommers einen ausgedehnten Wildblumen-Dschungel, wo immer wieder Schmetterlinge vorbeischaukelten und man prima verschiedene Hummelarten und andere Wildbienen studieren konnte. Und nächsten Sommer wird dort endlich wieder ein Gewöhnlicher Natternkopf zu bewundern sein.
Es lässt sich aber auch nicht verschweigen, dass die Pflanzen dieses Jahr enorm unter der Trockenheit litten. Das begann schon im Frühjahr, der für die Botanik wichtigsten Zeit, und setzte sich dann im langen, heißen Sommer fort, wo wir gar nicht mehr hinterherkamen mit dem Gießen. Als dann einige Vereinsmitglieder wegen Krankheit oder Urlaub ausfielen, sind einige Pflanzen schlicht vertrocknet.
Gleichzeitig entwickelt sich der Bereich direkt am östlichen U-Bahn-Eingang immer mehr zum sozialen Brennpunkt. Am Mittelstreifen ist ein Treffpunkt von Drogensüchtigen, obdachlosen Menschen und Alkoholikern entstanden, aber auch der dauerhafte Touristenstrom von und zur Bergmannstraße sorgt dafür, dass nicht nur Hunde, sondern auch Menschen einfach in die Beete pissen und der Gärtner mehr mit dem Entfernen von Müll und anderem Unrat als mit dem eigentlichen Gärtnern beschäftigt ist. Vor ein paar Wochen haben wir die erste Spritze gefunden. Das ist in Kreuzberg nichts Besonderes, markiert aber doch eine gewisse Grenze, die wir auch aus Gründen des Eigenschutzes nicht überschreiten wollen. Deshalb müssen wir im nächsten Jahr vermutlich einige Beete aufgeben.