Die Wilde Wiese wächst!

Auf den Beeten von mog61 e.V. an der Gneisenaustraße regt sich erstes Grün

Ja, das schaut auf den ersten Blick vielleicht aus wie ein etwas außer Form geratener Kopfsalat. Ist es aber nicht, sondern die Blattrosette einer Königskerze. Welche genau, ob nun Verbascum densiflorum, thapsus oder phlomoides, weiß man noch nicht, aber das wird sich dann spätestens im Sommer herausstellen. Es ist eine wunderschöne Blume, bis zu zwei Meter hoch, mit vielen gelben Blüten, und sie wird ein Schmuck für den U-Bahnhof in der Gneisenaustraße sein. Falls sie im gefährlichen Großstadtdschungel überlebt. Im Moment sind sie und ihre Artgenossen jedenfalls ein deutliches Zeichen dafür, dass die Wilde Wiese nach dem obiligatorischen Winterschlaf tatsächlich wächst.

Bekanntlich kümmert sich mog61 seit vergangenem Sommer um diverses Straßenbegleitgrün. Erst hatten wir Sorge, dass die Kontakteinschränkungen wegen Corona in diesem Jahr ein Hindernis für unsere botanischen Aktivitäten darstellen könnten. Aber in Berlin waren Gartenarbeiten - maximal zu zweit und mit gehörigem Abstand - ja von Anfang an erlaubt. Das auf der rechten Seite ist übrigens nicht irgendein Unkraut, sondern der Gemeine Natternkopf, Echium vulgare, mit - im Sommer - sehr hübschen blauen Blüten. Muss aber natürlich noch ein Stück wachsen.

Links ein weiteres Schmuckstück unserer kleinen, im Entstehen begriffenen Plantage, eine Gemeine Nachtkerze, Oenothera biennis. Ihre großen, gelben, duftenden Blüten öffnen sich im Sommer bei Nacht und locken viele Falter an. Schließlich tun wir das alles auch für die Insekten. Denkt man gar nicht, was auf diesem trockenen, sandigen Boden voller Kronkorken und Hundepisse für tolle Sachen wachsen!

Rechts Wiesensalbei, Salvia pratensis, eine ganz edle Pflanze, blüht ebenfalls blau. Aber zurück zum Thema. Corona ist für die Wilde Wiese also keine Bedrohung. Was nicht heißt, dass es für so Blumen in der Großstadt nicht eine ganze Menge Bedrohungen gäbe. Letztes Jahr machten sich zunächst die Blattläuse über die Lupinen her, dann fraßen Waldmäuse Glocken- und Sonnenblumen, im Herbst nervte der Mehltau. Im Moment ist es vor allem die Trockenheit. Seit dem 12. März hat es in Kreuzberg praktisch nicht mehr geregnet. Das ist in dieser Jahreszeit, wo alles wachsen und gedeihen will, besonders misslich. Deswegen führt kein Weg an künstlicher Bewässerung vorbei. Und das heißt: Gießen!

Hier links eine besonders elegante Kartäusernelke, Dianthus carthusianorum. Blüht im Juni purpurrot und gilt in Berlin als stark gefährdet. Andererseits, wegen Corona, profitieren unsere Beete derzeit vom deutlich geringeren Fußgängerverkehr, von den Bauarbeiten am U-Bahneingang und davon, dass dieses Jahr der Karneval der Kulturen ausfällt. Klingt ein bisschen zynisch, aber das erhöht tatsächlich die Überlebenschancen von Blumen in Gefahrenzonen beträchtlich.

Rechts ein hübsches Exemplar von Lupinus polyphyllus. Sie sind mehrjährig, wurden letztes Jahr gesät und sollten in diesem Jahr blühen. Sehr gerne blau, könnte aber auch leicht eine andere Farbe sein. Lupinen waren unsere erste Idee, als es um die Bepflanzung von Straßenbegleitgrün ging. Inzwischen haben sich die Stockrosen, Alcea rosea, etwas in den Vordergrund gedrängt. Wer etwas auf sich hält, holt sich Blumen natürlich nicht einfach aus dem Baumarkt, deshalb waren Teile des mog61-Teams im heißen, trockenen Sommer 2019 umfänglich unterwegs, um im näheren und weiteren Umfeld alle möglichen Samen einzusammeln.

Das links zum Beispiel ist eine Ringelblume, Calendula officinalis, deren Samen von dem schmalen Wildblumenstreifen zwischen Bio Company und dem Hellweg-Baumarkt an der Yorckstraße stammt. Oder vielleicht sollte man besser sagen: Es will einmal eine Ringelblume werden! Der Acker-Rittersporn, Consolida regalis, macht uns derzeit ein bisschen Sorgen, der rote Klatschmohn, Papaver rhoeas, lässt noch auf sich warten und auf die Nickende Distel, Carduus nutans, die dann aber erst nächstes Jahr blühen wird, freuen wir uns ganz besonders. Soweit jedenfalls mal die ambitionierten Pläne.

Große Fortschritte machen die Stockrosen. An der Mittenwalder Straße sollen vor allem weiße und gelbe wachsen und auf dem großen Beet an der Zossener Straße alle möglichen Rottöne, von rosa über ziegelrot bis zu dunklem Purpur. Das haben wir von den großen Pflanztöpfen vor der Amerika-Gedenkbibliothek abgeguckt, wo es letztes Jahr wunderschöne Malven gab. Und wenn dann irgendwo anders im Kiez im Sommer eine Stockrose für Farbe sorgt und an dieses seltsame Corona-Frühjahr mit dem blauen HImmel und dem kalten Ostwind erinnert, könnte es durchaus sein, dass auch daran mog61 nicht ganz unschuldig ist.

Apropos: Corona macht Teamarbeit im Moment etwas schwierig, aber Mit-Gießer*innen sind jederzeit hochwillkommen!